Umbenennung des Agnes-Miegel-Weges 28. Januar 202210. April 2022 In der Ratssitzung vom 27.01.2022 stand unter TOP 5 die Umbenennung bzw. Nichtumbenennung des Agnes-Miegel-Weges zur Debatte. Zu diesem Tagesordnungspunkt lagen 3 Anwohneranregungen für die Umbenennung sowie 2 Anwohneranregungen gegen eine Umbenennung vor. Mit diesen Worten haben wir uns ausdrücklich für eine Umbenennung des Agnes-Miegel-Weges ausgesprochen: „Heute ist der 27. Januar, der Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus. Der nationale Gedenktag ist auf dieses Datum gelegt worden, weil heute vor 77 Jahren sowjetische Soldaten das Konzentrationslager Auschwitz befreiten. Heute soll der Tag sein, an dem der Rat der Stadt Oerlinghausen Abstand davon nimmt, eine bekennende Nationalsozialistin in Form einer Straßenbenennung weiter zu ehren. Wir, die Ratsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen Oerlinghausen, begrüßen die Bürger*innenanträge zur Umbenennung des Agnes-Miegel-Weges ausdrücklich. Vielen Dank für die Initiative! Sie haben den Fokus auf einen Tatbestand gerichtet, der aus Bequemlichkeit zu lange geruht hat. Dabei sind die Gründe für eine Umbenennung klar und deutlich beim Namen zu nennen: Agnes Miegel hat ihre Wirkung im Nationalsozialismus bis zu ihrem Tod im Jahr 1964 weder öffentlich bereut, noch sich von dieser distanziert oder auch nur eine Zeile der kritisch-reflexiven Auseinandersetzung mit ihrer eigenen Vergangenheit veröffentlicht. Die Ehrerbietung, die der sogenannten „Mutter Ostpreußens“ in der Nachkriegszeit zuteilgeworden ist und die sich auch in der Straßenbenennung widerspiegelt, halten wir für eine Fehlentscheidung, die im Sinne einer Aufarbeitung der Vergangenheit revidiert werden muss. Die Autorin Agnes Miegel kann als eine aktive Stütze des NS-Regimes betrachtet werden. Als Person des öffentlichen Lebens, Kulturschaffende und Repräsentantin des Kultursystems hat sie aktiv für den Nationalsozialismus geworben und Adolf Hitler in Wort und Tat verehrt. Sie hat von der Gleichschaltung und sogenannten „Arisierung“ des Kulturbetriebs im Nationalsozialismus profitiert und wurde als ostpreußische Heimatdichterin zu einem literarischen Aushängeschild des NS-Regimes, die von den Nationalsozialisten mit Ehrungen überhäuft wurde. Bereits seit 1933 hatte Agnes Miegel in der nationalsozialistischen Öffentlichkeit eine wichtige Funktion als Repräsentantin der Künste, als sie nach der Gleichschaltung in der Sektion für Dichtung der Preußischen Akademie der Künste in den Vorstand nachrückte. Im März 1933, kurz nach der Reichstagswahl, hatte Gottfried Benn eine rigorose Gleichschaltung der Sektion vorgenommen; nicht-nazistische und politisch unliebsame Kulturschaffende wurden zum Austritt genötigt oder ausgeschlossen und durch systemtreue Mitglieder ersetzt. Im Oktober 1933 unterschrieb Agnes Miegel ein öffentliches „Gelöbnis treuester Gefolgschaft“ auf Adolf Hitler. In ihrem schriftstellerischen Schaffen huldigte Agnes Miegel Hitler, dem sie mehrere ihrer Gedichte widmete („Dem Führer!“, 1936 und „An den Führer“, 1938). In ihren Werken warb Miegel für die nationalsozialistische Frauen- und Jugendarbeit und glorifizierte insbesondere die „arische“ Muttergestalt. Mit ihren Gedichten unterstützte sie die NS-Kriegspolitik. Ihr Vertrauen in den „Führer“ war noch kurz vor Kriegsende spürbar: („Aber ich habe so ein Gefühl, daß es dahin nicht kommt, ich habe so ein felsenfestes Vertrauen in den Führer, er wird uns halten. Immer wieder brandet Rußland an – aber der Sieg wird uns doch bleiben.“ (aus einem Brief an Hans Friedrich Blunck im Juli 1944).) Nach 1945 tabuisierte Agnes Miegel ihre nationalsozialistische Vergangenheit: („Das habe ich mit meinem Gott alleine abzumachen und mit niemand sonst.“) Bis zu ihrem Lebensende 1964 hat sie es unterlassen, sich vom Nationalsozialismus und ihrer eigenen systemtragenden Rolle zu distanzieren. Diese Distanzierung sehen wir aber als notwendig an. Wer sich nach 1945 nicht vom Nationalsozialismus losgesagt hat, der hat sich eine öffentliche Anerkennung in Form einer Straßenbenennung in keiner Weise verdient. Eine fortbestehende Ehrung einer nationalsozialistischen Schriftstellerin darf es nicht mehr geben. Es ist eine Frage der demokratischen Kultur, wem wir erinnernd gedenken wollen und wem lieber nicht. Die Stadt Oerlinghausen hat sich entschieden, ein Erinnerungsbuch an die ermordeten und zu Tode gekommenen Opfer der NS-Regimes zu pflegen. Wenige Meter von der in Rede stehenden Straße entfernt, erinnert eine andere Straße an Robert Kronfeld. Er war ein Pionier des Segelflugs, aber auch ein Mensch, der wegen seines jüdischen Glaubens aus seiner Heimat fliehen musste, um nicht von Staats wegen ermordet zu werden. Die Straßenbenennung war ein Fehler, der im öffentlichen Interesse zu beheben ist! Am besten heute und am besten gemeinsam.“ Leider mussten wir feststellen, dass einzig unsere Ratsfraktion und Bürgermeister Dirk Becker – der seine Entscheidung in einer persönlichen Stellungnahme verlas – eine Umbenennung der Straße befürworteten. Die Fraktionen von SPD, CDU und FDP sprachen sich in ihren Stellungnahmen für den Beibehalt des Straßennamens aus und möchten diesen mit einem Erläuterungsschild versehen. Der von der SPD vorgelegte Textvorschlag bringt jedoch nicht annähernd die Schuldhaftigkeit der Person Agnes-Miegel zum Ausdruck. Die Fraktion der Initiative Oerlinghausen sprach sich für eine Bürgerbefragung aus – jedoch nur von den im Agnes-Miegel-Weg lebenden Einwohner:innen. Letztlich wurde eine Entscheidung auf die nächste Ratssitzung am 03.03.2022 verschoben. Übrigens: Am 31.01.2008 beschloss der damalige Rat der Stadt Oerlinghausen einstimmig eine Resolution gegen Neonazis. Diese lautet: In unserer Mitte haben Neonazis keinen Platz! Wir beziehen Position: -gegen jede Form von Neonationalsozialismus, Menschenverachtung, Diskriminierung und Vorurteilen! – für das Verbot aller neofaschistischen Parteien und Organisationen! – für antifaschistische Aufklärung, für Engagement und Wachsamkeit in unserer Stadt und anderswo! Nachtrag: Beschluss zum Thema in der Ratssitzung vom 03.03.2022: für die Umbenennung des Straßennamens stimmten die Fraktionen Bündnis 90/Grüne und Initiative Oerlinghausen sowie der Bürgermeister Dirk Beckergegen die Umbenennung des Straßennamens und für die Anbringung eines Zusatzschildes stimmten die Fraktionen SPD, CDU und FDP > dies ist die Mehrheit der Ratsmitglieder und damit der letztlich gefasste Beschluss zum Thema
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