Haushaltsrede 2011

Es ist vollbracht – ein Haushaltssicherungskonzept (HSK) konnte vermieden werden. Grund zur Freude also?!
Wie soll sich ein Hungernder freuen, wenn man ihm ein buntes Kochbuch präsentiert, welches ihm nur vorgaukelt wie schön alles sein könnte?
Wie soll sich ein Rat freuen, wenn in einem 25-Millionen-Etat eine Deckungslücke von 10 Prozent (!) klafft und auch in den Folgejahren nicht mit einem ausgeglichenen Haushalt zu rechnen ist?!Der jahrelang praktizierte Schuldenabbau ist Vergangenheit; wir leben von der Substanz und von Krediten.
Die Ursachen dafür liegen zum großen Teil außerhalb der kommunalen Verantwortung:

  • die Folgen einer Finanzkrise, welche durch einen hemmungslosen Kapitalismus ermöglicht wurde;
  • eine Umverteilung von unten nach oben – gesellschaftlich, aber auch in der staatlichen Hierarchie. Dieses trifft die Kommunen als letzte in der Kette am härtesten;
  • eine Neuberechnung der Schlüsselzuweisungen des Landes – Stichwort: Soziallastenansatz –, die unter verfassungsrechtlichen Aspekten notwendig war, aber vom Finanzminister denkbar schlecht kommuniziert wurde.

Aber auch vor Ort wurden und werden Fehler gemacht und verstärken die Haushaltsmisere:

  • die rein formale Vermeidung eines HSK wird zum obersten Ziel erkoren – anstatt anzuerkennen, dass wir inhaltlich längst ein HSK benötigen, um eine Perspektive der Haushaltskonsolidierung zu erarbeiten.
  • da wurde mit sogenannten „Platzhaltern“ der Haushalt 2010 schön gerechnet und der Selbstbetrug forciert. Folgerichtig haben wir den Haushalt 2010 abgelehnt.
  • Einer der Platzhalter– nämlich die Südstadtschule – wurde klammheimlich beseitigt, ohne dass die noch immer offenen Finanzfragen geklärt wurden. Stattdessen wurde die Diskussion über einen Bürgerantrag über Monate hinausgezögert und eine Debatte über ein Grundschul-Kooperationsmodell unterlaufen.
  • Vorhandene Strukturen werden kaum hinterfragt. So weigert sich der zuständige Fachausschuss bisher, sich mit der Ausstattung und den Aufgaben des Bauhofes zu befassen.
  • Die Sanierung der „Querriegel-Straßen“ belastet BürgerInnen und Haushalt.
  • der NKF-Haushalt ist noch immer zu undurchsichtig. Versuche der Fraktionen, das zu ändern, werden von der Verwaltung als lästig empfunden. Darüber wird noch zu reden sein.
  • Konzeptionslosigkeit in weiten Teilen des Verwaltungshandelns – so mahnen wir z.B. seit Jahren an, endlich beim Gebäudemanagement und in der Personalentwicklung konzeptionell vorzugehen anstatt Stückwerk zu liefern. Ergebnis: Fehlanzeige.
  • Es stellt sich immer deutlicher als Fehler heraus, dass die Variante „eine-Mensa-für-das-gesamte-Schulzentrum“ von vornherein ignoriert wurde. Wir hoffen, dass die so wichtige Entwicklung der Schullandschaft nicht im Nachhinein auch durch Investitionsentscheidungen der jüngsten Vergangenheit wie Hallenbad und Feuerwehrgerätehaus beeinträchtigt wird. Angesichts der Zahlen, die uns bisher vorliegen, sind Zweifel berechtigt, dass diese Hoffnung sich erfüllt.

Das ist eine lange Liste – die macht es nachvollziehbar, den Haushalt 2011 abzulehnen. Gründe dafür gibt es genug.

Andererseits haben auch wir uns in gewissem Umfang daran beteiligt, in 2011 von der Substanz zu leben – einfach weil uns viele Leistungen für die Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt so wichtig sind, dass wir versuchen wollen, die finanzielle Notsituation ohne weitere Einschnitte zu überstehen.

So freuen wir uns, dass es den Fraktionen – in aller Regel einvernehmlich – gelungen ist, den Haushaltsentwurf inhaltlich zu verbessern: der städtische Beitrag für das Archäologische Freilichtmuseum AFM bleibt erhalten; die Essensbeiträge in Kitas und Ganztagsschulen werden weiterhin gewährt, das Jugendzentrum in der Hermannstraße kann in seinen Räumen bleiben, der Spielplatz am Stukenbrocker Weg wird aufgewertet, junge Familien können weiterhin mit städtischer Unterstützung alte Immobilien erwerben und so nach Oerlinghausen ziehen.

Es gibt zarte Pflänzchen der Hoffnung, dass auch mal der Mut aufgebracht wird, Wünschenswertes einfach sein zu lassen. Die unsägliche Toilettenanlage im Rathaus und der Ausbau der Weerthstraße gehören in diese Kategorie.
Auch die Tatsache, dass die „Platzhalter“ aus dem Haushalt entfernt wurden, ist zumindest ehrlicher als das 2010 der Fall war.

Doch es reicht nicht, immer nur auf Einzelmaßnahmen zu schauen. Wir müssen grundsätzlicher und strategischer an die Dinge herangehen. Daran hapert es bisher.

Beim Erkennen und Entwickeln wichtiger Potentiale unserer Stadt versagt  bisher vor allem die Bürgermeisterin: anstatt eine Perle wie das Archäologische Freilichtmuseum zum Glänzen zu bringen, wird Sand ins Getriebe gestreut und der Rat indirekt zum Vertragsbruch aufgefordert. Anstatt das Silbertablett mit Freude anzunehmen, auf welchem uns ein für die Naherholung und für den Tourismus attraktives Naturschutzgroßprojekt angeboten wird, wird dieses mit kleingeistiger Mäkelei beiseite geschoben. Anstatt die 975-Jahr-Feier von sich aus im Sinne eines attraktiven Stadtmarketings zu nutzen, geschieht dieses erst nach Intervention politischer Gremien. Diese Liste ließe sich fortsetzen und mit „Kreativ-Bremse“ überschreiben.

Dabei hat unsere Stadt ein enormes Potential, das es endlich zu nutzen gilt. Daraus entsteht nicht unmittelbar und eins-zu-eins eine Haushaltsentlastung; manches wird zunächst Geld kosten. Aber mittelfristig werden sich Kreativität und Mut auch finanziell lohnen – unsere Stadtwerke zeigen wie es gehen kann.

Die Erfahrungen der letzten Jahre machen deutlich, dass die Initiative für eine engagierte Stadtentwicklung aus den Fraktionen wird kommen müssen. Hier vernehmen wir bisher Signale mit aus unserer Sicht unterschiedlicher Qualität. Die Entwicklung im Einzelhandel sehen wir mit großer Sorge, denn hier wird sich einfach über Expertenwissen hinweggesetzt. Andererseits wird für das Schulzentrum endlich eine Gesamtplanung erarbeitet – wir begrüßen es, dass unsere Anregung aus 2009 nun eine Mehrheit findet.

Insgesamt sehen wir im Haushaltsplan für 2011 Licht und Schatten, wobei der Schatten deutlich überwiegt.
Das spricht dafür, den Haushalt abzulehnen. Mit dem Stellenplan machen wir das – weil seit Jahren das Personalentwicklungskonzept fehlt, und ohne dieses sind wir nicht bereit, Änderungen am Stellenplan zu beschließen.

Beim Haushaltsplan hingegen enthalten wir uns. Wir möchten damit auch ein Signal setzen und damit uns selbst, aber auch Sie, geehrte Ratskolleginnen und -kollegen, in die Pflicht nehmen: lassen wir es nicht dabei, einfach nur die formale Vermeidung eines Haushaltssicherungskonzeptes zum obersten Ziel zu machen. Gehen wir die Dinge grundsätzlicher an!

Es gibt genug Baustellen. Wir erwarten, dass diese in den nächsten Monaten intensiv bearbeitet werden. Um die wichtigsten hier zu nennen:

  • wir brauchen dringend eine mittelfristige Haushaltsstrategie
  • dazu gehört auch, dass die Einnahmesituation verbessert wird
  • der Haushalt muss deutlich transparenter werden
  • wir brauchen endlich ein Gebäudemanagement
  • gleiches gilt für das Personalentwicklungskonzept
  • wir müssen endlich ein lebendiges Stadtmarketing entwickeln

 

Wir werden unsere Vorstellungen zu all diesen Punkten einbringen – in der Hoffnung und Erwartung auf konstruktive Debatten und Beschlüsse.
Klar ist, dass wir unter ähnlichen Voraussetzungen wie den heutigen im nächsten Jahr den Haushalt ablehnen werden.
Wir würden es jedoch begrüßen, wenn die Dinge sich so entwickeln lassen, dass wir den nächsten Haushalt sogar mittragen können.

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